Stars & Stripes im Retro-Look: Auf diesem Kochbuch müsste gar nicht Amerika* drauf stehen, damit man wüsste, dass Amerika drin ist. Und zwar „Das Beste von Alaska bis Florida“, mehr als 150 Rezepte auf 256 Seiten, zusammengestellt von zwei amerikanischen Autorinnen, Caroline Bretherton und Elena Rosemond-Hoerr. Die sollten wissen, was amerikanische Küche ausmacht und was wirklich typisch ist – und tun es auch!
Rezeptauswahl: US-Klassiker mit „twist“
Die Zusammenstellung der Rezepte im Buch (unterteilt nach Vorspeisen, Suppen & Salate, Frühstück & leichte Snacks, Hauptgerichte & Beilagen, Dessert, Kuchen, Süsses & Eingemachtes) hat mir also sehr gut gefallen. Und auch dass manche Gerichte mit einem leichten Twist versehen wurden, der ihn interessanter macht – Guacamole mit Feta angereichert, Caesar Salad mit Lachs, Funnel Cakes mit Kokos. Andere Klassiker werden jeweils in einer bekannten und mehreren Variationsmöglichkeiten präsentiert: Maisbrot, Cookies, Cobbler, Cole Slaw, Grilled Cheese Sandwich.
Das alte Problem: Die Maßeinheiten
Vermutlich haben die beiden Autorinnen ihre Rezepte in Cups, Ounces etc. geschrieben. Und die wurden dann für den deutschen Markt in Gramm und Milliliter verwandelt. Das führt zu vielen krummen Werten (kein Problem), aber offenbar gab es auch Umrechnungsfehler (sehr wohl ein Problem). Vor allem beim Speck ist mir das aufgefallen: 350 g auf 1 Liter Hühnerbrühe beim Clam Chowder? Mir haben beim Nachkochen 75 g gereicht… 450 g Speck als Belag auf dem Süßkartoffelauflauf, in dem außer 1,8 Kilo Süßkartoffeln auch 200 g Zucker und 350 g Butter stecken? Bei den Baked Beans 300 g Speck auf drei 400 g-Dosen-Bohnen (da ist ja auch noch Abtropf-Flüssigkeit drin!), zusätzlich noch 300 ml Rübenkraut? Und 300 g Marmelade und 250 g Erdnussbutter für vier PBJ-Sandwiches? 600 g Ganache über 10 Portionen Boston-Cream-Trifle mit Obst, Kuchen und Vanillecreme? Nee, so würde ich das nicht essen wollen… Fairerweise muss ich allerdings auch sagen: Bei den Backrezepten sind mir keine unpassenden Mengenverhältnisse ins Auge gestochen.
Bei den Zutaten haben die Lektoren (meist) gut aufgepasst: Es gibt keine Rezepte, die auf Zutaten basieren, die man in Deutschland gar nicht bekommen kann. Und auch Fertigprodukte wie Marshmallowcreme und Dosensuppen finden sich nicht. Allerdings soll die Key Lime Pie-Füllung nur mit „Dosenmilch, Eigelb und Limettensaft“ hergestellt werden – wer da keine Vorkenntnisse hat und weiß, dass nur GEZUCKERTE Kondensmilch gemeint sein kann, dem wird der Kuchen später weglaufen 🙁 Genauso hat jemand ein Melassebild mit „Zuckerrübensirup hat einen schönen Karamelgeschmack“ betitelt. Nee, hat er nicht – eignet sich aber trotzdem als Ersatz.
Layout: Zurück zur Sachlichkeit
Ich weiß nicht, wie es Euch geht – aber ich habe die verschnörkelten, pastelligen scrapbookartigen Cupcakebüchlein inzwischen sowas von satt 🙂 Glücklicherweise kommt das Buch optisch ganz anders daher: Mit plakativen Überschriften, viel Weißraum, guter Gliederung. Gelungen sind die vielen kleinen Infohappen zu Zutaten und Zubereitung, die auf den Rezeptseiten eingestreut sind. Besonders nützlich finde ich Tipps zu Zutaten-Variationen, falls man mal etwas nicht im Hause hat. Dagegen wird wohl nur der allerblutigste Kochanfänger sich über über Bildchen freuen, wie man Kartoffeln in Scheiben schneidet (ehrlich!) oder Knoblauch schält.
Apropos Bilder: Die Foodfotos sind handwerklich gut gemacht, aber nichts was einen vom Hocker hauen würde. Müssen sie aber auch nicht – ich denke, bei diesem Kochbuch liegt der Schwerpunkt eindeutig auf dem Rezeptpart. Bei denen sind jedoch manchmal nur Zutaten (Speck bei den Kartoffelnestern, geschlagenes Eiweiß beim Omelette ) abgebildet – den Platz hätte man sinnvoller für Ansichten des fertigen Gerichtes verwenden können. Positiv finde ich allerdings, dass der Band nicht mit -zig Seiten Landschaftsaufnahmen und Küchenszenen künstlich aufgebläht wurde. Stattdessen haben auf 256 Seiten eben stattliche 150 Rezepte Platz und die „Regionalinfos“ sind mit einer schön gestalteten Doppelseite knackig-kurz gehalten.
Für uns untypisch, aber in US-Kochbüchern oft zu finden: Die Rezepte im Register sind nicht alphabetisch sortiert, sondern nach Hauptzutaten. Guacamole steht also unter „Avocado“, Blueberry Ripple Cheesecake unter „Heidelbeeren“ und der Chicken Pot Pie unter „Süßkartoffel“. Man muss halt umdenken…
FAZIT: Die meisten Basic-Kochbücher mit klassischen US-Rezepten sind inzwischen ganz schön betagt oder mehr Jamie als Amerika. Da bringt Amerika von Dorling Kindersley* etwas frischeren Wind ins Bücherregal und liefert dementsprechend modern aufgemachte klassische Rezepte, manche mit interessantem Dreh. Ärgerlich finde ich persönlich einige Ungenauigkeiten beim Umrechnen der Maßeinheiten und beim Übersetzen.
2 Comments
Andrea
16. Januar 2016 at 11:00Vielen Dank für diese ausführliche Rezension. Am besten würden die Autoren diesen Blogpost bei der nächsten Auflagen beilegen, oder zumindest die Hinweise auf Stellen die missverständlich sind.
Habe viel interessantes gelernt, u.a. das mit der Einordnung nach Hauptzutaten. Das ist eigentlich auch sehr charmant.
gfra-admin
16. Januar 2016 at 11:20Ich hege ja die Hoffnung, Andrea, dass da jemand eine „Masterdatei“ führt, in der solche Ungenauigkeiten/Fehler/Missverständnisse vermerkt werden, damit die in der nächsten Ausgabe ausgemerzt werden 😉