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Pute zu Weihnachten statt Gans? Das Interview

Perfect Roast Turkey - der perfekte Truthahnbraten

Autorinnen American Christmas Der amerikanische Feiertag Thanksgiving kreist um Truthahn. Sollte man sich davon eine Scheibe abschneiden und Pute zu Weihnachten statt Gans servieren? Seit fast genau 25 Jahren predige ich bei „USA kulinarisch“ über die Vielfalt der US-Küche und verrate euch in diesem Interview, welche amerikanischen Festtagsrezepte auch in Deutschland gut ankommen, was ein potluck ist – und was vegetarischen Gästen aufgetischt wird. Die besten Feiertagsrezepte dazu findet ihr natürlich im Buch American Christmas (hier zu bestellen). Geführt hat das Interview übrigens Petrina, meine Co-Autorin bei diesem Buch – rechts seht ihr uns beide, als wir uns beide 2022 in New York trafen, um unser Projekt zu feiern.

In den USA ist turkey – Truthahnbraten – als Festtagsessen zu Thanksgiving nicht wegzudenken. Diesen Feiertag gibt es in Deutschland nicht, aber zu Weihnachten kommt vielerorts auch Geflügel auf den Tisch: die Weihnachtsgans. Was macht den Truthahn als Variante reizvoll?

Gabi: Zum einen auf jeden Fall, dass es ihn in einer breiteren Größenvielfalt gibt. Ob man nur zwei oder 20 Leute mit dem Braten glücklich machen möchte – mit turkey geht das, auch wenn man nach Bio- oder Freilaufvögeln schon etwas suchen muss. Zum anderen ist Pute – auf Deutsch sagt man ja eher Pute als Truthahn – viel magerer und hat keinen so starken Eigengeschmack wie Gans. Das macht sie in meinen Augen wandlungs- und zugleich mehrheitsfähiger. Gans mag noch lange nicht jeder, Pute schon!

Mehr zum amerikanischen Erntedank: Im Grundlagenartikel Was gehört alles zu einem amerikanischen Thanksgiving findet ihr alle Rezeptlinks und im Blogbericht Die große Thanksgiving-Lüge sagt euch Petrina, was an der Geschichte vom gemeinsamen Feiern der indigenen Ureinwohner und der Siedler eigentlich dran ist. Hint: Gar nichts.

Welche Beilagen gehören zu einem Festmahl mit Truthahn, wenn es original amerikanisch zugehen soll?

Gabi: Sehr viele! Zum Beispiel Kartoffel- oder Süßkartoffelpüree, herbstliche Gemüse wie Kürbis, Karotten, Rosenkohl, oder die berühmte Green Bean Casserole, ein rahmig-köstlicher Auflauf aus Bohnen und Pilzen. Dazu kommen die Saucen, vor allem sahnige Bratensauce und Cranberry-Sauce, die man in Deutschland gut durch Preiselbeeren ersetzen kann. Wichtig ist auch die würzige Füllung des Truthahns, oft aus einer Mischung aus Brot oder Maisbrot, Gemüse und Speck oder scharfer Wurst zubereitet. Ach ja: Nachtisch fehlt natürlich nicht. Besonders beliebt sind Pies – ob nun Pumpkin Pie mit einer zimtig-cremigen Kürbisfülle in knuspriger Teighülle, Apple Pie oder nussiger Pecan Pie.

Perfect Roast Turkey - der perfekte Truthahnbraten

Ach, deshalb sprechen die Amerikaner von „Truthahnkoma“ zu Thanksgiving … das ist ja jede Menge Essen. Was passiert denn mit den Resten?

Gabi: Rund um „Thanksgiving Leftovers“ hat sich in den USA eine regelrechte Rezeptkultur entwickelt. Es beginnt damit, dass man die „schönen“ Bratenscheiben auf Sandwiches legt. Die unregelmäßigen kleineren Stücke landen zum Beispiel im Nudelauflauf, die ganz kleinen vom Knochen gepulten Brösel werden mit Mayo, Gemüsen und Gewürzen zu Brotaufstrich verarbeitet. Und zuguterletzt kocht man dann noch die Karkasse für eine wärmende Turkey Noodle Soup aus.

Wann hast du deinen ersten Truthahnbraten zu Hause in Deutschland gemacht?

Gabi: Als mein Mann vor fast 20 Jahren berichtete, dass im Nachbarkreis ein Landwirt freilaufende Puten hält. „Echte Monstervögel!“, sagte er. Da erschien vor meinem inneren Auge das Bild des berühmten amerikanischen Malers Norman Rockwell: Die Familie versammelt sich um den üppig gedeckten Tisch, die stolze Hausfrau stellt die Platte mit dem XXL-Turkey dazu. Das wollte ich auch, vor allem, weil wir zu der Zeit einen Austauschschüler aus den USA hatten. Frei nach dem uramerikanischen Motto „The bigger, the better“ orderten wir dann einen Vogel von 16 Kilo. Wenn ich gewusst hätte, was das für logistische Herausforderungen mit sich bringt (hier der Artikel im Detail)! Das Tier ließ die Kühlschrank-Inneneinrichtung zusammenbrechen, passte ohne Beinamputation nicht in den Backofen, und ich musste quasi eine Nachtschicht einlegen, um ihn zum Mittagessen fertig zu bekommen. Aber er schmeckte grandios! Und war natürlich auch ein grandioser Hingucker.
Der XXL-Weihnachtstruthahn 2012

Oh je, das klingt aber kompliziert, und es hat ja nicht jeder einen Riesenofen. Geht es beim festlichen Truthahn-Essen auch eine Nummer kleiner?

Gabi: Natürlich geht das, zum Beispiel, indem man nur eine Truthahnbrust zubereitet. Wenn man dabei ein Bratenthermometer benutzt und die Kerntemperatur misst, wird das magere Teilstück auch nicht trocken. Oder man brät Truthahnburger, die eine Thanksgiving-typische Garnitur aus Cranberry-Sauce, Zwiebeln und Kürbis bekommen. Um den Aufwand zu verringern, ist in den USA auch der sogenannte potluck beliebt: Da bringen die Gäste statt Blumen bereits gegarte Beilagen, Salat, Getränke oder Desserts mit. Die Gastgeber*innen kümmern sich dann „nur“ um den Festbraten und den gedeckten Tisch.

Und was essen vegane oder vegetarische Amerikaner statt Pute zu Weihnachten oder Thanksgiving?

Gabi: Die reichhaltigen Beilagen, Suppe und Dessert sorgen sicherlich schon dafür, dass niemand hungrig vom Tisch aufstehen muss, auch wenn er oder sie den Truthahnbraten nicht möchte. Netter finde ich es aber, wenn Gastgeber*innen auch für Nicht-Fleischesser*innen eine Hauptspeise anbieten – zum Beispiel Gemüselasagne, Bratlinge aus Hülsenfrüchten, eine gefüllte Blätterteigpastete oder vegetarischen Shepherds Pie, ein Gemüseragout mit Kartoffelpüree-Kruste. Oder diesen nach Truthahn-Art gefüllten Pumpkin!

Stuffed Pumpkin for Thanksgiving - gefüllter Kürbis Rezept

Mehr zum amerikanischen Erntedank: Im Grundlagenartikel Was gehört alles zu einem amerikanischen Thanksgiving findet ihr alle Rezeptlinks und im Blogbericht Die große Thanksgiving-Lüge sagt euch Petrina, was an der Geschichte vom gemeinsamen Feiern der indigenen Ureinwohner und der Siedler eigentlich dran ist. Hint: Gar nichts.

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