Ja, manchmal ist der Alltag eines Foodbloggers echt hart. Da reisst man sich gerade am Riemen, um vor dem Urlaub ein paar Pfunde zu verlieren, und dann wird man gebeten, bei einem Walnuss-Pralinenwettbewerb die Jurorin zu machen. Walnusspralinen probieren? Quasi beruflich? Einen halben Tag lang? Okaaayy – diäten kann ich andermal wieder 😉
So fuhr ich also nach Solingen zur Zentralfachschule der Deutschen Süßwarenwirtschaft, wo sonst die Fachkräfte für Bonbon-, Schokoriegel- und Keksfabriken ausgebildet werden. Dort richtete die deutsche Handelsvertretung der California Walnut Commission die Verkostung aus, zu der mehrere Dutzend Konditoren und Pralinenmanufakturen ihre schokoladigen Kreationen zum Motto „Die knacktastische Walnusspraline 2017“ eingereicht hatten. Dabei wurde nach zwei Marktsegmenten unterschieden: „Premium“ (also quasi die Bentleys der Pralinen) und „Einzelhandel“ (der Volkswagen).
Ob man den Unterschied schmecken konnte? Nicht unbedingt! Denn lecker fand ich (fast) alle Schokohäppchen, die mir vorgelegt wurden – bis auf die ganz dunklen, bitteren. Ich bin nun mal mehr Typ Milchschokolade… In den Premium-Pralinen steckte aber durchweg mehr (Hand-)Arbeit, viel liebevolle Deko und oft auch speziellere, hochwertigere Zutaten wie Importschokolade, seltene Gewürze, exklusive Spirituosen. In jedem Fall aber viele, viele kalifornische Walnüsse als wichtigstem Bestandteil!
Walnussigkeit (ähem, wohl kein Wort, das man so im Duden findet) war also ein Kriterium, auf dass wir Jurymitglieder achten sollten. Fachgerechte Verarbeitung der Schokolade (graue, glanzlose Überzüge gehen gar nicht!), harmonischer Geschmack, angenehme Textur, innovative Rezeptur, hübsche Optik waren weitere – aber auch das „Marktpotential“. Sprich: Findet diese Praline Käufer? Bei der weißen Schokolade mit Walnüssen und Curry hatte ich da so meine Zweifel, die spiralige „Spirits of Walnut“ (unten) mit der Kombination aus Trockenpflaumen, Marzipan und Walnüsse fand ich dagegen schon eher mehrheitsfähig!
Und so probierten wir uns viertelpralinenweise durch das schokoladige Teilnehmerfeld, zwischendurch immer einen Bissen Brot oder einen Schluck Wasser nehmend. „Das neutralisiert nämlich“, erläuterte einer der Dozenten der Süßwaren-Schule mir als „Laien-Juror“. Die Fachleute in der Jury – zum Beispiel Nele von Pralinenwahnsinn – wussten das natürlich längst.
Aber ob nun Profi oder nur privater Schokoliebhaber: Am Ende fiel das Urteil ziemlich eindeutig aus. Bei den Premium-Pralinen landete der „süße Kuss der Walnuss“ auf Platz eins – eine auffällige rot-braune Halbkugel, gefüllt mit Himbeerganache und Walnuss-Butterkaramell, obenauf eine karamellisierte Walnuss. Bei den Einzelhandels-Pralinen überzeugte die „knusprige Walnuss-Keks-Praline“, die genau das hielt, was sie versprach: Viele Walnüsse, schöne Mischung aus Cremigkeit und Knusper.
Smokey (oben) mit Raucharoma hakten wir geschmacklich mehr unter „interessant“ ab, die Spirit-Spirale weiter oben wurde dagegen zweite beim Einzelhandel. Die siegreichen Pralinen-Hersteller fahren nun zur Walnussernte nach Kalifornien bzw. freuen sich über einen Marketingszuschuss für ihre Kreationen. Ich fahre leider nicht zur Walnussernte, freue mich über ein superköstliches Walnuss-Erlebnis, aber ärgere mich über gefühlte zwei Kilo Gewichtszunahme. Tscha, irgendwas ist halt immer 😉
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