Stolz und stur: Zu Recht meinen viele Deutsche, hierzulande sehr gutes Bier zu bekommen. Was allerdings die Vielfalt angeht, ist die deutsche Bierlandschaft noch sehr öde. Die Craft Beer Bewegung aus den USA (hier in Teil 1 des Artikel beschrieben) bringt gute Impulse und noch bessere Biere in die Bundesrepublik – hat allerdings mit so manchen Vorurteilen in den Köpfen der Biertrinker zu kämpfen.
Von Nina Anika Klotz, www.Hopfenhelden.de
Vor etwa zehn Jahren begann die Craft Beer Idee nach Europa zu schwappen. Sie brach von Westen herein, traf Großbritannien zuerst. Im Grunde stand man dort vor einer ähnlichen Situation wie in den USA: Damals gab es im ganzen Königreich in den 1970ern und 80ern gerade mal 70 Brauereien. Nicht gerade viel Auswahl für den geneigten Biertrinker. Dem blieb also, wie in den USA, wenn er etwas anderes schmecken wollte, nur das selber brauen. Und so traf die Craft Beer Bewegung hier ebenfalls auf eine lebendige Home-Brewing-Szene, aus der schon bald die ersten Craft Brewer hervorgingen.
Heute ist Craft Beer in UK eine Riesensache, allein in London gibt es derzeit etwas über 100 Brauereien, im ganzen Land etwa 1200. In Südlondon, um den Borough Markte herum, liegen auf einer Meile, der sogenannten „Bermondsey Beer Mile“ gleich fünf Brauereien mit hervorragenden, handwerklich gemachten Bieren, die immer samstags zum Brauerei- und Verkostungs-Crawl einladen.
Skandinavien, erstaunlicherweise aber auch Italien und Spanien, sprangen schnell auf den Craft Beer Zug auf. Allein in Deutschland dauerte es eine Weile, bis die Idee vor ungefähr drei Jahren auch hier ankam.
Wieso Deutschland hinterher hinkt…
Warum sich die Deutschen, die bierliebenden Deutschen ausgerechnet, so schwer damit taten, erklärt Garrett Oliver, Gründer und Chef der Brooklyn Brewery, so: „Das Problem ist, dass deutsches Bier einfach zu OK ist. In Deutschland war und ist es eigentlich immer möglich ein anständiges Pils oder Helles zu bekommen.“ Das heißt, hier schien die Notwendigkeit nie so groß, nach Bier-Alternativen zu suchen. Und: Obwohl auch hierzulande im Lauf der vergangenen Jahrzehnte viele kleine Brauereien von größeren aufgekauft worden sind, haben viele ihre Namen behalten, weshalb zumindest der Eindruck entsteht, dass die Bierlandschaft in Deutschland recht bunt ist und der Biertrinker eine breite Auswahl hat. Man schaue sich nur einmal so ein Bierregal im Supermarkt an.
Tatsächlich aber ist es so: Es gibt in Deutschland viele Biermarken. Oft kommen die aber aus ein und demselben Konzern (Beispiel Berlin: Alle großen Berliner Biere, Schultheiss, Berliner Kindl, Berliner Pilsener, Berliner Bürgerbräu, Potsdamer Rex und Märkischer Landsmann gehören allesamt zu Radeberger). Und: Es gibt zwar viele Biere, aber nur eine Hand voll Biersorten. Denn all die kleinen deutschen Brauereien, auch wenn sie nach wie vor unabhängig sind, brauen doch alle dasselbe, nämlich Helles und Pils, vielleicht mal ein Dunkel, ein Schwarz- und ein Weißbier. Lokal noch mal Kölsch und Alt – und das war’s. Dabei gäbe es ja so viel mehr Bierstile.
Endlich etwas anderes als Helles und Pils
Die lassen nun seit etwa drei Jahren die ersten kleinen deutschen CraftBreweries wieder aufleben. Viele von ihnen stürzen sich zu allererst auf die amerikanischen Stile, brauen also stark hopfenbetonte obergären Biere wie Pale Ales und IPA (India Pale Ale). Dabei entdecken die neuen Brauer oft alte Braumethoden wieder. So hat das „dry-hopping“, deutsch: das Hopfenstopfen oder auch Kalthopfen, in den letzten Jahren wieder an Bedeutung gewonnen. Statt dem Bier nur einmal während des Brauvorgangs Hopfen zuzufügen wird das Bier nach einer gewissen Lagerzeit ein zweites mal gehopft. Das gibt ihm mehr Aroma.
Es ist ganz erstaunlich, welche Geschmacksbandbreite Hopfen haben kann. Besonders in den USA werden sogenannte Flavour Hops (Aromahopfensorten) angebaut, deren Aromaprofil von Orange über Maracuja bis hin zu Blüten, Gras und Harz reichen kann. Viele deutsche Craft Brewer beziehen ihre Hopfen auch aus den USA, dem Yakima Valley in Oregon vornehmlich.
Wer sind die deutschen Craft Brewer?
Deutsche Craft Brewer kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, es gibt richtige Quereinsteiger, die neben einen Job als Ingenieur, Banker oder Werber ziemlich gute Biere brauen und verkaufen, es gibt aber auch viele –und das unterscheidet die deutsche Szene von der in den USA und Großbritannien – die tatsächlich Brauer gelernt oder gar studiert haben, einige Zeit in der Industrie gearbeitet haben und irgendwann keine Lust mehr hatten, den Großteil ihrer Zeit vor einem Computer zu verbringen, der große Brauanlagen steuert. Sie wollten handwerklicher Arbeiten und entschieden sich deshalb für Handwerksbier. So ging es Thorsten Schoppe von Schoppe Bräu in Berlin, Alexander Himburg (Braukunstkeller), Simon Siemsglüß (Buddelship Hamburg) oder Andreas Seufert (Pax Bräu). Alle gehören zu Deutschlands ersten CraftBrewern.
Und trotzdem: Noch immer tut sich Craft Beer in Deutschland manchmal schwer, wenn es auf eingefleischte Stammtischgenossen trifft, die meinen, in der Bundesbierrepublik braue man ja bereits das beste Bier der Welt und amerikanisches Input brauche es da bitteschön nicht– aber die wissen nicht, was sie verpassen! Es lohnt sich, mal ein, drei oder zehn Flaschen deutschen Craft Beers zu probieren. Und so mancher wird erfreut sein und stauen, was für kulinarische Perlen es doch in der US-Food-and-Drinking-Culture zu entdecken gibt.
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